Love Stories – Landschaftsarchitektur at First Sight

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Planorama
LOVE STORIES
Ausstellung in der Architektur Galerie Berlin
01.11.2024 – 07.12.2024

Eröffnung: 31.10.2024, 19 Uhr
Begrüßung durch Ulrich Müller (Architektur Galerie Berlin), Einführung von Thilo Folkerts (100Landschaftsarchitektur)

Gespräch: 05.12.2024, 19 Uhr
Maik Böhmer, Fabian Karle, Thomas Lücke, Ulf Schrader (Planorama), Moderation Sofia Petersson (ANNABAU)

www.planorama.eu

Love stories – Landschaftsarchitektur at first sight.

In drei Kapiteln

Erstens (Anfänge)

Es ist die erste Einzelausstellung Planoramas – und die dritte von Landschaftsarchitekten der inzwischen etwa 150 Ausstellungen in der Architektur Galerie Berlin. Dieses – in sich – ist eine Einführung. Eine Ausstellung präsentiert ja etwas, es ist eine intensive Auseinandersetzung und Aufbereitung, schlußendlich Assemblage von etwas Vorhandenem, etwas das bisher noch nicht so offensichtlich war; etwas, das nun gezeigt werden kann. Es werden Dinge sichtbar gemacht, sie werden gezeigt. Es werden aber auch Dinge sichtbar, sie zeigen sich. Eine Ausstellung ist somit auch der Beginn einer (expliziten) Auseinandersetzung mit der eigenen Arbeit. Es geht darum Wesentliches herauszuarbeiten, herauszustellen. Dieser Prozess wiederum ist verwandt, mit unserer Tätigkeit und Expertise als Landschaftsarchitekten. Ich spreche über das Entwerfen. Das Entwerfen ist eine Methode und dann auch Fähigkeit, bei der es um das Werten und Bewerten geht. Zu entwickeln und zu zeigen was man aus den Notwendigkeiten und Vorgaben, vor allem jedoch aus dem Vorhandenem, aus einem Ort heraus entwickeln kann. Designieren – benennen – herausheben.

Einige dieser Werte wird man (auch als Entwerfer) im Übrigen selbst noch nicht erkennen, weil der Wert von Landschaft in der (ästhetischen) Aneignung liegt, ein Seh- und Lernprozess, der – wie auch das Wachstum der Pflanzen (um eine Plattitüde zu bemühen) – Zeit braucht. Mit der Zeit lernen wir Werte zu erkennen, zu sehen. Der Landschaftsgestalter hilft dabei, beim Erkennen, beim Vorausschauen. Das wäre die Beschreibung einer der Rollen der Landschaftsarchitektur. Idealerweise entstehen mit Projekten, Orte und Landschaften mit denen man etwas sieht.

An dieser Stelle würde ich gerne den Künstler Pierre Huyghe zitieren, der bezüglich des Zeigens, Ausstellens, Erfahrens vorgeschlagen hat, „… dass es großzügig sei jemanden etwas, [einer Sache oder Erfahrung] auszusetzen; mehr noch als jemandem etwas zu zeigen.“ … it is also generous (…) to expose someone to something, rather than something to someone.

Pierre Huyghe 2015

Zweitens (Transportproblem)

Planorama haben in den sechzehn Jahren seit Ihrer Gründung viele Projekte realisiert. Sechs große Projekte werden hier in der Ausstellung gezeigt.

Ich möchte behaupten: Freiraumprojekte in einem geschlossenen, überdeckten und kontrollierten Raum zu zeigen, birgt noch einmal besondere Herausforderungen. Und zwar über jene stringent gehaltene Fragestellung hinaus, die Ulrich Müller seit vielen Jahren mit seiner Architektur Galerie Berlin abfragt: Wie stelle ich Architektur aus? Planorama zeigt uns – und sich – hier:

Drei neue Landschaften, die wesentlich beitragen, drei Städten ein neues Gesicht zu geben. Drei Projekte realisiert innerhalb von Gartenschauen – einem Ausstellungsformat eigentlich, das, wie wir wissen, seit langem weit jenseits von Blume und Beet zum Ermöglichungsträger der Stadterneuerung geworden ist.

Wir sehen zwei zentrale Plätze, neu geordnet und dem Stadtbild zurückgegeben, gute Stuben der Stadttextur, in denen man sich zeigt und gesehen wird.

Und dann wird uns noch der immense Rheinboulevard gezeigt, vielleicht das prägendste Projekt von Planorama, von dem man lang und breit, vom jenseitigen Ufer – Dom hin oder her – die Stadt Köln neu betrachten kann.

Wie zeigt man solche Projekte in einer Ausstellung? Wie transportiert man Ort und Erfahrung? Damit (aber) auch: wie vermittelt, wie kommuniziert man Wertigkeiten, den Wert dieser Projekte? Es gibt hier Transportprobleme.

Das eine Transportproblem, nämlich eine Ausstellung über Freiraum / über Landschaft zu zeigen, in der gleichzeitig etwas von einer Raumidee erfahrbar wird, wurde durch die Kästen gelöst, zwischen und denen ich und Sie hier stehen: im Schaukasten der Galerie zwischen Schaukästen. Die Stapelung, die – en miniature – natürlich auch auf die Gegebenheiten städtischer baulicher Strukturen als wesentlicher Teil von Landschaft verweist, schafft hier in der Galerie Räume im Raum bei denen einem jedoch die Sicherheit über die (genaue) Maßstäblichkeit etwas abhanden kommt. Die Vegetation wird über das Visuelle hinaus durch die Luftfeuchtigkeit eindrücklich präsent, ist aber auch eine Abstraktion des Draussen im Drinnen. Wir befinden uns inmitten subtropischer Flora.

Dennoch ist dies alles konkret: Verwendet wird hier ein Element und Material, mit dem Planorama zuvor gearbeitet hat. Nämlich bei einem Gartenschauprojekt – wenn auch in nicht in den Farben, in denen wir uns hier befinden. Das Farbspektrum der Kästen hier in der Galerie – das ist augenfällig – ist fein mit dem Blattwerk der aus dem Blumengroßmarkt herbeigeschafften Zimmerpflanzen abgestimmt.

Apropos Transport: Einige der nach der Herstellung der exotischen Üppigkeit übrig gebliebenen Pflanzen werden Sie mitnehmen können. Das gilt auch für die Projekte. Denn, wenn man so will, werden diese hier nicht gezeigt, sondern zusammengetragen. Es werden Bilder extrahiert, projiziert und in sechs Broschüren aufbereitet. Die Besucher der Ausstellung können die Broschüren mitnehmen. Im Idealfall – stelle ich mir vor – dienen die Broschüren als Anreiz, Reiseführer und Sehhilfe bei der Erfahrung vor Ort mit den hier vorgestellten Projekten. Vielleicht an einem sonnigen, buntbelaubten Herbsttag.

Drittens(Schaustücke)

Es gibt aber ein weiteres Transportproblem, nun eher ein Vermittlungsproblem, das mit Landschaftsprojekten einhergeht. Auch hier ist es eine Frage der Mitnahme – metaphorisch Menschen mitzunehmen – und eine Frage des Sehens. Wie beschrieben, könnte es in der Landschaftsarchitektur essentiell darum gehen Potenziale aufzuzeigen und aus Vorhandenem Neues zu schaffen. Der Pressetext zu dieser Ausstellung unterstreicht, dass die Rauminstallation und – ich interpoliere – auch die Landschaftsarchitektur von Planorama dazu einlädt Landschaft als Ort des Erlebens und Gestaltung als Akt der Freude zu erfahren – ein Genuss, der das ästhetische Potenzial der Landschaftsarchitektur in den Mittelpunkt stellt.“

Nun sind Landschaftsprojekte zu allermeist komplex, vielschichtig und nicht immer einfach wahrzunehmen. Das ästhetische Potential und die ästhetische Wirkung bleiben oftmals gerade im Machen und Realisieren lange verborgen. Viele konstruktive, ökologische, politische und rechtliche Fragen stehen im Vordergrund der Arbeit, oft für sehr lange Zeiträume. Wie bleibt man fokussiert bei der gemeinschaftlichen Entwicklung, Orte und Landschaften neu sehen und dann auch nutzen zu können? Und wie kann der Wert, die Wertigkeit des zu Sehenden nachhaltig weitergegeben werden?

An dieser Stelle möchte ich die exotischen, merkwürdigen Zimmerpflanzen noch einmal zur Betrachtung heranziehen. In Ihnen, und der – wie beschrieben – sorgfältigen und liebevollen Farbabstimmung scheint mir eine Arbeitsweise, ein Gestaltungsmerkmal der Arbeiten von Planorama auf: Ich lese hier den Einsatz von Schmuckstücken. Merkwürdige, bemerkenswerte Kleinodien; Auszüge, die bei Planoramas Projekten am echten Ort positioniert sind und uns, den Bewohnern und Besuchern, beim Lesen helfen. Bei aller Präzision und Sorgfalt handelt es sich nicht um spektakuläre „Hingucker“, billige Werbeträger, sondern um Katalysatoren von Wertigkeit. Eine Wertigkeit die ausstrahlt und auf Weiteres wirkt. Bei den hier gezeigten Projekten sind das zum Beispiel ein Goldsteg, ein sehr langer Wassertisch, ein Drachensteg, eine immense Brunnenschale aus Bronze und ein Baumhain aus rotlaubigen Birken. Tatsächlich finden wir hier in der Ausstellung auch jeweils zu einem Projekt ein preziöse Replika eines solchen Schaustücks im Modellmaßstab.

Nehmen Sie diese bitte nicht mit! Wohl aber deren Ausstrahlung und die herzliche, liebevolle Wärme die ins Machen dieser Ausstellung gegangen ist.

(Manuskript, ed. 17.11.2024)